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Hexenwahn 2022: Aberglaube und Gewalt in 43 Ländern

Foto: Christian Schnaubelt / missio
Jörg Nowak und Elke Breuer-Schulte von missio präsentieren gemeinsam mit Prof. Dr. Norbert Frieters-Reermann von der katho NRW vor der missio-Zentrale in Aachen die "Weltkarte Hexenwahn 2022".

Pressegespräch zur Veröffentlichung der aktualisierten „Weltkarte Hexenwahn 2022“

Im Vorfeld des Internationalen Tages gegen Hexenwahn (10. August) » fand am 09. August 2022 in Aachen ein Pressegespräch zur Veröffentlichung der aktualisierten „Weltkarte Hexenwahn 2022“ statt. Die Weltkarte, die erstmals 2020 veröffentlicht wurde, hat das katholische Hilfswerk missio in Kooperation mit der Katholischen Hochschule NRW (katho)     erstellt.

Kooperation mit der katholischen Hochschule NRW

Prof. Dr. Norbert Frieters-Reermann von der katho Aachen hielt zu Beginn einen Impuls-Vortrag zum Thema Hexenwahn im Kontext der gendersensiblen Gewalt- und Konfliktforschung. Dabei wies der Konflikt- und Friedensforscher auf die Notwendigkeit hin, die Thematik auf verschiedenen Ebenen differenziert zu analysieren. Im Rahmen einer gendersensiblen Konfliktforschung betonte der Hochschullehrer, dass Hexenwahn kein individuelles Problem sei, sondern dahinter strukturelle Sichtweisen, Narrative und Sprachbilder stünden, die es begünstigten, Menschen als Hexen zu markieren und sie zu foltern.

Die missio-Projektpartnerinnen arbeiten sowohl auf der individuellen Ebene mit begleitender psychosozialer Traumaarbeit, sowie auf der strukturellen Ebene durch Forderungen nach Schließung der Gesetzeslücken und Bewusstseins- und Bildungsarbeit mit heranwachsenden Generationen. Nicht zuletzt markierte Prof. Dr. Frieters-Reermann die Notwendigkeit einer kritischen Selbstreflexivität der Kirche. Es sei zu fragen, welche Rolle kirchliche Einflüsse aktuell spielen und in der Vergangenheit spielten. Inwiefern könnten beispielswiese Narrative des Hexenwahns in koloniale Verstrickungen eingebettet sein?

Schwester Lorena Jenal betreut Opfer im „House of Hope“

Daran anknüpfend stellte Jörg Nowak (stellv. Pressesprecher) die missio-Projektpartnerin Schwester Lorena Jenal  »vor, die sich in Papua-Neuguinea um Frauen kümmert, die als vermeintliche Hexen verfolgt werden. „Dank ihres unermüdlichen Einsatzes konnten bereits rund 200 Frauen in der Region Mendi gerettet werden. missio unterstützt ihre Arbeit im House of Hope, wir sind aber aktuell in großer Sorge um Sr. Lorena, da sich Gewaltdrohungen gegen sie zuspitzen“, so Nowak.

Schwester Lorena wurde telefonisch zum Pressegespräch hinzugeschaltet. Während des Austauschs mit den Pressevertreterinnen und Pressevertretern bestätigte Sr. Lorena, dass sie mit gemischten Gefühlen nach Papua-Neuguinea zurückreise, da sie nicht zuletzt an diesem Morgen von einer Drohung gegen das Projekt House of Hope, in dem die Opfer des Hexenwahns unterkommen können, erfahren hatte. Zudem spitze sich die Lage mit den anstehenden Wahlen zu, was sich an den ansteigenden Zahlen der Verfolgungen tragisch bemerkbar mache. Dabei hätten Machtgefälle, Verunsicherungen und Unzufriedenheit negative Auswirkungen auf die Situation der Frauen im Land und seien Ursache für das "Sündenbockphänomen".

In dieser „unsicheren Lage“ betonte Schwester Lorena die Wichtigkeit ihrer Begegnungen und Kontakte in Europa, wie beispielsweise die durch missio kürzlich ermöglichte Audienz bei Papst Franziskus in Rom. Das Bild mit dem Heiligen Vater, so Schwester Lorena, zirkuliere in sämtlichen Medien und gebe ihr „Rückenwind im weiteren Kampf gegen den Hexenwahn“. Schwester Lorena bezeichnete sich im Gespräch als Frauenrechtlerin, denn sie sieht in patriarchalen Gesellschaften den direkten Zusammenhang von starken Frauen, die für sich einstehen und daraufhin als Gefahr betrachtet und mundtot gemacht werden. Außerdem betonte sie den gefährlichen Einfluss von „schlechten Theologien“, die einen strafenden Gott predigen und Frauen als „Verführerinnen“ verurteilen. Trotz der zugespitzten Situation spricht Sr. Lorena mit Klarheit und einem starken Willen: „Ich habe Christina, einem Opfer von Hexenwahn, versprochen, dass ihre Täter Gerechtigkeit erfahren werden. Dafür werde ich mich bis zu meinem Tod einsetzen, koste es was es wolle.“

Aktualisierte Weltkarte belegt Aberglaube und Gewalt in 43 Ländern

Bei der abschließenden Präsentation der aktualisierte „Weltkarte Hexenwahn 2022“ betonte Jörg Nowak: „In 43 Ländern sind Menschen von Gewalt, Folter und Tod bedroht, weil sie als angebliche Hexen an den Pranger gestellt werden. Hass, Aberglaube und die Suche nach Sündenböcken sind die Motive, warum in Ländern wie Ghana, der DR Kongo und Indien solche Menschenrechtsverbrechen verübt werden”.

Die Zahl der Länder, in denen Menschen, vorrangig Frauen, aufgrund des Hexenwahns verfolgt werden, stieg um zwei Länder an. Neu hinzugekommen sind die Länder Sierra Leone und Simbabwe, wobei weitere Länder - wie Botswana und Mosambik- auf einer „Beobachtungsliste“ stehen.

Die Weltkarte Hexenwahn 2022 steht hier zur Verfügung: www.missio-hilft.de/hexenwahn ».

Hilfsprojekte und Recherchen werden fortgesetzt

missio unterstützt Hilfsprojekte im Kampf gegen Hexenwahn in zahlreichen Ländern, unter anderem in Papua-Neuguinea, in Ghana und der DR Kongo. Auch die Recherchen zur „Weltkarte Hexenwahn“ werden fortgeführt werden. Dr. Gregor von Fürstenberg » (missio-Vizepräsident) betonte: „Wir werden auch in Zukunft den wichtigen Kampf gegen den Hexenwahn unterstützen”. „Die Recherche ist aber noch nicht abgeschlossen und die aktualisierte Weltkarte ist „ein guter Startpunkt für weitere, differenziertere Analysen“, so Prof. Dr. Frieters-Reermann.

Franziska Moosmann, Jeanne-Marie Poick, Christian Schnaubelt

Bilder von der Präsentation der aktualisierten Weltkarte Hexenwahn 2022 am 09.08.2022 in Aachen


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