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Lieferkettengesetz - Ein Anfang mit viel Luft nach oben

Gefühlt war es ein ewiges hin und her. Bereits seit meiner Arbeit im Bundestag begleitete mich das Lieferkettengesetz. Das sogenannte „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ hat es nun aber geschafft und wurde im Juni im Bundestag verabschiedet. Auch der Bundesrat hat das Gesetz gebilligt und damit steht dem neuen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)“ nun nichts mehr im Wege. Ab dem Jahr 2023 gilt es zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und ab 2024 dann für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Dass das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird, war bis zum Ende nicht gewiss, da es innerhalb der Koalition immer wieder Abstimmungsbedarf gab und Termine oftmals verschoben wurden. Das Gesetz wurde von einer enormen Lobbyarbeit begleitet. Auf der einen Seite gab es die „Initiative Lieferkettengesetz“, die sich für eine stärkere Verpflichtung der Unternehmen bezüglich der Achtung von Menschenrechten und bestimmter Umweltstandards in ihren Lieferketten einsetzte. Diese Seite wurde von der Zivilgesellschaft und auch von missio und weiteren kirchlichen Akteuren getragen. Auf der anderen Seite gab es die Wirtschaftslobbyisten und Wirtschaftsverbände, die das Lieferkettengesetz verhindern oder zumindest abschwächen wollten. Sie befürchteten u.a. negative Folgen für die Wirtschaft.

Für missio stand fest, dass ein starkes Lieferkettengesetz den Partnern in Afrika und Asien zugutekommen würde. Daher trat missio der "Initiative Lieferkettengesetz" bei, unterstützte Aktionen u.a. vor dem Bundestag und suchte den persönlichen Kontakt zu den Bundestagsabgeordneten, um für ein starkes Lieferkettengesetz zu werben. Die Verabschiedung des Gesetzes erfreute dann auch unsere Partnerinnen und Partern in der Demokratischen Republik Kongo, denn von dort kommen u.a. die wertvollen Mineralien, die bei der Herstellung von Smartphones und anderen Geräten verwendet werden. Unsere Partnerinnen und Partner erhoffen sich durch das Gesetz ein faireres Miteinander und eine Reduzierung der ausbeuterischen Verhältnisse vor Ort. Die Einführung des Lieferkettengesetzes ist ein wichtiger Schritt und war zwingend notwendig, doch es ist lediglich ein Anfang. Die Einhaltung von Menschenrechten in den Lieferketten geht uns alle etwas an und auch mit dem Gesetz bleibt weiterhin viel zu tun.

Der Berliner missio-Diözesanreferent Milan Ivić bei einer Demonstration für das neue Lieferkettengesetz vor dem Reichstagsgebäude. Foto: missio
Der Berliner missio-Diözesanreferent Milan Ivić bei einer Demonstration für das neue Lieferkettengesetz vor dem Reichstagsgebäude.

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mir persönlich mehr von dem Gesetz erhofft habe. Der politische Kompromiss ist aus meiner Sicht sehr zugunsten der Wirtschaftsverbände geschlossen worden. Die Anzahl der erfassten Unternehmen ist weitaus geringer als gedacht (Unternehmen mit mehr als 3.000 bzw. 1.000  statt 500 bzw. 250 Mitarbeiteinnen und Mitarbeitern), die zivilrechtliche Haftung ist nicht enthalten, die Sorgfaltspflichten gelten nur für unmittelbare Zulieferer und für den eigenen Geschäftsbereich, nicht aber für mittelbare Zulieferer und somit nicht entlang der gesamten Lieferkette und auch das Thema Umwelt ist nur partiell enthalten. Das heißt aber nicht, dass ich das Gesetz ablehne oder nicht glaube, dass es etwas bewirken kann. Ich denke, dass ein wichtiger erster Schritt getan wurde. Anstatt auf eine mäßig genutzte Freiwilligkeit im Bereich der Corporate Social Responsibility (Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung) entlang der Lieferketten zu setzen, gibt es verbindliche gesetzliche Vorgaben, die die Unternehmen im Bereich ihrer Lieferketten nun einhalten und umsetzen müssen.

Der Einsatz für ein Lieferkettengesetz hat gesellschaftlich viel bewirkt. Es hat Aufmerksamkeit geschaffen und viele Menschen erreicht, die sich nun viel stärker mit der Situation entlang der Lieferketten beschäftigen und die ein Bewusstsein für ihre Rolle als Konsumenten entwickelt haben. Der Einsatz für ein deutsches Lieferkettengesetz war von Anfang an von der Idee getragen, dass eine Lösung auf deutscher Ebene nur ein erster Schritt sein kann und dass das eigentliche Ziel ein europäisches Lieferkettengesetz sei. Momentan arbeitet die Europäische Kommission an einem Gesetzesentwurf für ein europäisches Lieferkettengesetz. Dieser soll nach aktuellem Stand im September/Oktober 2021 vorgestellt werden. Bereits im März 2021 haben die Parlamentarier des EU-Parlaments mit großer Mehrheit für den sogenannten „Legislativbericht über menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten von Unternehmen“ gestimmt. Damit empfiehlt das Europaparlament der EU-Kommission, ein Lieferkettengesetz einzuführen und bekräftigt das Vorhaben der EU-Kommission, einen solchen Gesetzentwurf einzubringen. Der Legislativbericht geht dabei inhaltlich über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus und stimmt mich hoffnungsvoll, dass es auf europäischer Ebene ein starkes Lieferkettengesetz geben kann.

Es bleibt spannend im Bereich der Sorgfaltspflichten der Unternehmen und wir bleiben weiterhin dran, um unseren Partnerinnen und Partnern in Deutschland und Europa eine Stimme zu geben und für ein starkes Lieferkettengesetz zu streiten.


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