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PRESSEMITTEILUNG

"Der Papst lebt, was er predigt"

Papst Franziskus. Ein Mann seines Wortes: Dieser Film von Wim Wenders läuft ab dem 15. Juni in den Kinos. Beatrix Gramlich von der missio-Mitgliederzeitschrift kontinente hat den Filmemacher interviewt. Spannende Einsichten in die Welt eines Papstes.

Szene mit Papst Franziskus in einer Dokumentation von Wim Wenders Foto: Produktionsfirma

Die Anfrage kam direkt aus dem Vatikan und überraschte selbst Starregisseur Wim Wenders: Ob er nach Rom reisen wolle, um ein Projekt zu besprechen. Aus dem Projekt wurde ein Film - nicht über, sondern mit Papst Franziskus. Wenders bekam keinerlei Vorgaben, stattdessen freien Zugang zu den Archiven der Kurie. Er sichtete eine Fülle von exklusivem Bildmaterial und führte lange Gespräche mit dem Heiligen Vater. "Der Papst lebt, was er predigt", sagt Wenders im Gespräch mit Beatrix Gramlich, stellvertretende Chefredakteurin des missio-Magazins kontinente ».

Herr Wenders, wie haben Sie den Papst erlebt? Was war unerwartet?

Zum Beispiel seine ansteckende, positive Energie, die er ständig an den Tag gelegt hat. Oder wie ernst er die Dreharbeiten genommen hat. Er war voll und ganz da, ohne ein Telefon oder jemanden, der auf die Uhr geschaut hätte. Er hat keine Frage gescheut und immer spontan und direkt geantwortet, ohne zu zögern. Und er hat jeden am Set – ob Bühnenarbeiter oder Elektriker – genauso begrüßt wie den Produzenten oder den Regisseur. Für ihn ist die Idee, dass alle Menschen gleich sind, Wirklichkeit, das merkt man. Als wir im Park gedreht haben, hat er sich aus einem Fiat Panda herausgeschält. Kleiner geht’s kaum. Er meint es ernst, wenn er sagt: „Wir könnten alle mit weniger auskommen.“ Er gibt dafür ein Beispiel nach dem anderen.

Sie haben Reisen einmal eine Metapher für das Leben genannt. In Ihrem Film spielen die Reisen von Papst Franziskus eine große Rolle. Was ist die Botschaft?

In diesem Fall ist die Botschaft nicht das Reisen, sondern wer da reist – und wie. Politiker reisen zu Staatsbesuchen, sie sehen sich untereinander, und das war es dann. Der Papst ist der einzige Mensch, der zwar auch Staatsoberhäupter trifft, aber dann in dem Land, das er besucht, auch in Gefängnisse geht, in Krankenhäuser, Flüchtlingslager, in die Slums. Kein anderer macht solche Reisen und geht überall auch dahin, wo es wehtut.

Welche Themen und Fragen waren Ihnen wichtig?

Ich habe in vier langen Interviews von je gut zwei Stunden insgesamt 55 Fragen stellen können. Da waren so ziemlich alle Themen dabei, die man sich vorstellen kann. Das Schwierige war eher, eine Dramaturgie dafür zu finden. Die Zuschauer sollen den Worten des Papstes ja ohne Anstrengung folgen können und wären mit mehr als 90 Minuten schnell überfordert. Da sind einige Sachen durch den Rost gefallen. In 90 Minuten kann man nicht über alles reden.

Meinen Sie, der Film hilft, die Position des Papstes zu stärken?

Ich hoffe. Papst Franziskus hat zwar auch Gegenwind im konservativen Teil der Kirche, aber vor allem sehr viele Menschen auf der Welt hinter sich, die große Hoffnungen in ihn setzen. Er ist ein großer Kommunikator und hat eine herzliche, direkte Beziehung zu Menschen. Dass er sich mit diesem Film direkt an die Menschen wenden könne, war für mich die erklärte Funktion des Films. Deswegen schaut er jedem Zuschauer direkt in die Augen. Dieses Privileg wollte ich unbedingt teilen.

Ein Element sind Szenen aus dem Leben des heiligen Franziskus. Welche Idee steckt dahinter?

Wenn sich jemand Franziskus nennt, und dies zum ersten Mal in der Geschichte der Päpste, hat das Konsequenzen. Das hat sich vor ihm niemand getraut. Der heilige Franz von Assisi war ein Revolutionär, ein Erneuerer, wie es sie in der Geschichte der Kirche und der Menschheit nur ganz wenige gegeben hat. Sein Name steht für radikale Solidarität mit den Armen und Ausgestoßenen, für ein neues Verhältnis zur Natur und für Frieden zwischen den Religionen: Alles notwendiger denn je. Sich zu diesem Namen zu bekennen heißt, dieses Programm in die heutige Zeit zu übertragen.

Warum die Umsetzung in historisierenden Schwarz-Weiß-Bildern?

Weil wir die Zeit in der Tat 800 Jahre zurückdrehen, um zu zeigen, dass viele Probleme, die wir heute haben, nicht neu sind. Und dass es einmal jemanden gab, der Antworten darauf hatte.

Sie stellen den Papst sehr positiv dar. Ist Ihr Film Hofmalerei?

Wie viele Menschen kennen Sie auf diesem Planeten, denen die Welt zuhört? Wie viele „World Leader“, denen man noch eine moralische Autorität zubilligen mag? Begriffe wie Wahrheit sind zu einer Farce geworden im Zeitalter von Fake News. Und dann gibt es da einen, der keine Industrie hinter sich hat, keine Partei und kein anderes „Programm“ als das Wohl aller Menschen – und dem man das glaubt. Ich wüsste nicht, wie ich diesen großartigen Mann negativ oder kritisch darstellen könnte. Ich bin kein investigativer Journalist. Ich mache Filme über Menschen, die ich liebe und deren Botschaft oder Kunst ich mit anderen teilen will – siehe „Buena VistaSocial Club“, „Pina“ oder „Das Salz der Erde“. Da lasse ich das mit der Hofmalerei einfach mal als Kompliment stehen.

Ist der Papst ein spiritueller oder eher ein politisch starker Mensch?

Er trennt das eine nicht vom anderen, und das ist seine Stärke. Er sagt im Film auch: Die Kirche ist nichts anderes als eine NGO (Nichtregierungsorganisation, Anm. der Red.), wenn sie sich etwas darauf einbildet, Macht oder Reichtum zu besitzen. Dann ist Christus in ihr nicht lebendig.

Woran glauben Sie selbst?

Ich glaube an einen freundlichen Gott, der uns sieht und der uns so liebt, dass er uns alle Freiheit gegeben hat – sowohl fürchterliche Sachen anzustellen als auch, sie wieder zu berichtigen.

Kann man das in Deutschland öffentlich zugeben?

Warum nicht? Ich finde es gut, wenn Leute zu dem stehen, was sie glauben. Ich habe 15 Jahre in Amerika gelebt, wo kein Mensch ein Problem damit hat zu sagen, „Ich bin Christ oder Jude oder Moslem“. In Deutschland ist das auf merkwürdige Art verpönt. Eine Partei, die „christlich“ im Namen hat, muss deswegen nichts Christliches mehr im Sinn haben. Das ist in Deutschland alles ein bisschen verdreht.

In Ihrem Film geht es auch um die Zeit. Was bedeuten Tod und Vergänglichkeit für Sie?

Es ist ja bei vielen Dingen im Leben so, dass man davon nicht reden kann, wenn man davon nichts weiß. Wie will jemand von Nähe zwischen Menschen reden, der nicht in der Lage ist, Einsamkeit auszuhalten? Wie will er Zweisamkeit dann gut leben? Mit dem Tod ist es ähnlich. Wir sterben alle, aber tun so, als wären wir unsterblich. Die Verherrlichung der Jugend hat uns dazu gebracht, den Tod mehr oder weniger zu verleugnen oder zu verdrängen. Ich glaube, jeder Mensch, der mit dem Tod im Reinen ist, kann besser lebendig sein.

Hat der Film mit dem Papst Sie katholischer gemacht ?

Ich bin katholisch aufgewachsen, mit einer Protestantin verheiratet, war in Amerika in einer presbyterianischen Gemeinde und teile meine Kirchenbesuche heute zwischen katholisch und evangelisch auf. Dieser Film hat mich in vielerlei Hinsicht beflügelt und mir auch Mut gemacht, ökumenischer zu sein.


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Johannes Seibel

Leiter der Stabsstelle Presse & Kommunikation
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